November 2014
Vortrag über den Ersten Weltkrieg im mittleren Ostertal
Hoof. Im vollbesetzten Saal des protestantischen Gemeindehauses Hoof sprach der Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins Ostertal, Hans Kirsch, über „Die Kriegsjahre 1914 – 1918 im Ostertal“. Zu Kriegsbeginn habe es Begeisterung und patriotische Kundgebungen vor allem in den Städten gegeben. Aus Werschweiler und Fürth etwa seien aber andere Reaktionen bekannt geworden: „Die Frauen und Mädchen sind nicht von der Straße zu bringen, sie heulen sich die Augen wund.“ Gleich nach der Mobilisierung setzten Hamsterkäufe ein, wobei aber in manchen Geschäften Papiergeld als Zahlungsmittel schon nicht mehr angenommen wurde. In der Bevölkerung schwirrten allerlei Gerüchte um angebliche Vorkommnisse und Spionagefälle umher, erst nach längerer Zeit ebbte die „Spionenriecherei“ etwas ab. Der Ausbruch des Krieges fiel mitten in die Erntezeit, weshalb die einrückenden Soldaten als landwirtschaftliche Arbeiter fehlten. Hart trafen die Bauern auch die Pferdeaushebungen. Die Ernten wurden nun größtenteils ans Militär verkauft anstatt an zivile Abnehmer wie etwa Mühlen. Gleich nach Kriegsbeginn war ein Reichsgesetz erlassen worden, wonach für Gegenstände des täglichen Bedarfs Höchstpreise festgesetzt werden konnten. Das führte jedoch dazu, dass die Bauern die Höchstpreise als Mindestpreise ansahen, was das Preisniveau stark ansteigen ließ.
Bald trafen in den Dörfern erste Gefallenenmeldungen ein. Die meisten hatten an einen kurzen, siegreichen Feldzug wie 1870/71 geglaubt und mussten nun feststellen, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung ging. Vielmehr hörten die Menschen in der Westpfalz und im Saargebiet unaufhörlich den Kanonendonner, der von der Westfront herschallte. Im Frühjahr 1915 flogen sogar feindliche Flugzeuge über Saar und Pfalz und warfen Bomben ab; dabei wurde in Dörrenbach ein achtjähriger Junge tödlich getroffen. Während des gesamten Krieges wurden immer wieder die verschiedensten Sammlungen durchgeführt; im Ostertal engagierten sich dabei besonders der Bubacher Lehrer König und der Marther Lehrer Weis. Die gesammelten Dinge kamen sozialen Initiativen oder auch den Soldaten des eigenen Ortes zugute. Die Bubacher Schule sandte den einheimischen Soldaten auch täglich den „Kuseler Anzeiger“ zu. Anders verhielt es sich mit den so genannten „Kriegsanleihen“, sie dienten unmittelbar der Finanzierung des Krieges. Die Regierung warb für die „Anleihen“ mit wirtschaftlichen Argumenten, mit patriotischen Appellen und teilweise auch mit moralischem Druck. Schließlich kamen bei den insgesamt zehn „Anleihen“ in der Pfalz 108 Millionen Mark zusammen, im ganzen Reich über zehn Milliarden Mark. Zu der versprochenen Rückzahlung und Verzinsung kam es allerdings nie.
Auf dem Gebiet der Volksernährung zeigten sich schon bald Mangelerscheinungen. In Kusel richtete der Frauenverein des Roten Kreuzes eine öffentliche Suppenküche ein zur Speisung der Kinder der Kriegsteilnehmer und der ärmeren Einwohner. Nach einer missratenen Kartoffelernte im Herbst 1916 folgte der berüchtigte „Steckrübenwinter“ mit weit verbreitetem Hunger. Nicht zuletzt hierdurch wurde die Kriegsbereitschaft der Menschen entscheidend geschwächt. Ein Bedarfsklassensystem für die Volksernährung wurde eingeführt, wobei der Bezirk Kusel mit seiner landwirtschaftlich geprägten Struktur der niedrigsten Bedarfsklasse zugeteilt wurde. Bei den Rationierungen gab es nun neben der allgemeinen Bevölkerung noch die Schwerarbeiter und die Schwerstarbeiter, die Lebensmittelzulagen erhielten. Zu den Letzteren zählten etwa die Berg- und Hüttenarbeiter des Ostertals.
Infolge der Mangelsituation entwickelte sich ein reger Schwarzhandel und an den Grenzen der Bundesländer (Preußen/Bayern) auch ein verbreiteter Schmuggel. Betuchte Hamsterer kauften in den Dörfern die Lebensmittelbestände für gutes Geld auf, und die Presse vermutete, dass 1917 wohl die Hälfte der Getreideernte illegal beiseite geschafft worden sei. Die Lebensmittelknappheit führte dazu, dass möglichst Ersatz gefunden werden musste. Die Runkelrübe wurde als Lebensmittel gepriesen, den Mangel an Öl und Fett suchte man durch Nutzung von Bucheckern zu verringern. Die Schuljugend sammelte Obstkerne und Brennnesselstängel, zur Herstellung von Kaffee-Ersatz diente die Mehlbeere. Die letzte Phase des Krieges ließ den Mangel auf allen Gebieten hervortreten. Und doch löste das Eingeständnis der Obersten Heeresleitung Anfang Oktober 1918, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen sei, in der Bevölkerung Überraschung aus. Der Grund lag darin, dass die offiziellen Stellen bisher nur Siegeszuversicht und Erfolgsmeldungen verbreitet hatten.
Hans Kirsch