Juli 2005
Johannes Schmitt
Geschichte und Heimat im Ostertal
Festvortrag anlässlich des 20jährigen Bestehens des Heimat- und Kulturvereins Ostertal
gehalten am 08.07.2005
Geschichte
Seit Jahren, sehr geehrte Damen und Herren, überrasche ich meine Schüler der Klassenstufe 11 bei der Einführung und Vorstellung des Faches Geschichte – und wahrscheinlich werden auch sie verblüfft sein – mit der provozierenden Feststellung: „Geschichte ist Zukunft“ – „Geschichte als Wissenschaft ist Zukunftsforschung“. Die Verblüffung und Überraschung löse ich dann so auf, dass ich aufzuzeigen suche, dass Geschichte nicht dazu da ist, um, wie es der große Historiker Ranke im 19. Jahrhundert formuliert hat, aufzuzeigen, „wie es eigentlich gewesen sei“. Dies tut Geschichte auch, aber Geschichte – und das ist mein grundlegendes Postulat – soll in erster Linie dazu dienen, die Gegenwart zu verstehen, die sich aus der Vergangenheit entwickelt hat. Denn in der Gegenwart ist die Vergangenheit – wenn auch nicht als Ganze, so doch in Elementen – aufgehoben, im Sinne von bewahrt.
Ich will es noch mehr zugespitzt formulieren: Nur wer die Vergangenheit kennt, versteht die Gegenwart und kann künftiges Handeln danach ausrichten. Geschichte versteht sich also in erster Linie aus dem Bezug zur Gegenwart. Und dieser Gegenwartsbezug vermittelt uns Orientierungswissen das nötig ist, um bewusst, und von da erklären sich gleichsam zwei zusammengehörende politische Sehweisen, zu bewahren und/oder zu verändern. Tradition und Fortschritt sind gewissermaßen die beiden Seiten der Medaille Geschichte. Um es an einem regionalen Beispiel zu erläutern: Wie will ich heute die drängenden Probleme der Arbeitslosigkeit an der Saar verstehen und eine adäquate Antwort finden, wenn ich mich nicht weit in die Geschichte der Industrialisierung der Saargegend und deren Folgen auf den sozialen Wandel seit über zwei Jahrhundert einlasse?